Montag, 24. Oktober 2016

Nachlese im kleinen Salon - Es wird schon!

Einen Tag nach der Buchmesse, bin ich krank. Die Schniefnase und das Halskratzen haben auch Vorteile: Ich muss nicht raus in dieses Sauwetter und kann die letzten aufregenden Buchmessetage revue passieren lassen - bei einem Kaffee von Meinl mit Schuss.



Eins vorweg: Noch nie sind diese Messetage so schnell vergangen wie mit dem eigenen Roman in der Hand. Ich konnte nur hin und herflitzen zwischen den Hallen 3.1 und 4.1 - und dort habe ich auch einige Gänge ausgelassen. Das Laufen an den Verlagen vorbei war allerdings diesmal besonders schön, denn ich musste nicht mit einem Manuskript beklommen nachfragen, sondern konnte etwas zeigen. Meinen Roman, denn ich beim sehr engagierten und umsorgenden Frankfurter Größenwahn Verlag http://groessenwahn-verlag.de/veröffentlicht habe. Daraus ergaben sich viele schöne Gespräche und Erlebnisse. Am Stand des Wiener Mandelbaum Verlags blätterte ich in dem besonderen Reiseführer Jüdisches Wien, wobei der Verlagsleiter natürlich mein Buchcover sofort erkannte: Der Mandelbaum Verlag http://www.mandelbaum.de/home sitzt in dem weißen Haus mit dem Runderker. Als ich in dem Führer über den Judenplatz und das Mahnmal für die Opfer der Shoah las - Fotos sah, fiel mir wieder ein, dass ich im Jahr 2000 erstmals in Wien gewesen war, damals auf einer Tag der Gesellschaft für Exilforschung, bei der es sehr viel um die Musik der 20er und 30er Jahre ging. Damals habe ich mich genauer mit dem Schicksal Schriftstellers und Liberettisten Löhner-Beda befasst, der die Texte zu vielen Lehár-Operetten und Schlagern schrieb, die wir heute noch witzig, frech und modern finden. 

Das waren die ersten unscheinbaren Keime für meinen Roman. Als ich wieder zuhause war, wusste ich jedenfalls, dass ich mit diesem Thema etwas machen wollte. Als ich dann 2003 eine erste Erzählung geschrieben hatte, meldete ich mich zum Poetikseminar bei Bodo Kirchhoff an - und lernte besonders detailliertes Erzählen, sich zur Decke strecken mit dem Schreiben, eine Figur tatsächlich ausloten. 

Meine erste Erzählung schrieb ich immer wieder um, wusste noch nicht recht, was daraus werden sollte. Zwischendurch schrieb ich andere Kurzgeschichten, aber auch eine Erzählung, die sich um Musik und eine Großmutter drehte. Irgendwann zwischen 2004 und 2005 sah ich einen Bericht über das Hotel Orient in Wien. Mich faszinierte, dass die Wiener für eine vergängliche Sache wie die verbotene Liebe ein Hotel so sorgfältig und geschmackvoll einrichteten. Es inspirierte mich - ich schrieb weiter, die eher komplizierte Liebesgeschichte entstand. 

Die Geschichte der Großmutter hing noch etwas unverbunden zwischen anderen. Ich vertiefte mich also in die Musik, sah mir eine Ausstellung von Robert Dachs (einem Schallplattensammler) an und las Bücher über Fritz Löhner-Beda, die damals gerade erschienen. Auch hörte ich viele alte Aufnahmen, sammelte frisch digitalisiertes von Paul Abraham, gesungen von Martha Eggert oder Franziska Gaal, deren Stimmen viel zu früh verstummt waren. 

In den letzten Jahren hatte ich die Buchmesse auch besucht, um interessante und mutige kleine Verlage ausfindig zu machen. Der Frankfurter Größenwahn Verlag war auch darunter. Welcher konnte schließlich besser zu diesem Buch passen als einer, der selbst aus einem Kaffeehaus, einem Ort der Diskussion und Demokratie, entstanden war? 

Das waren so Gedanken in meinem Kopf als ich durch die überladenen Gänge lief. Station machte ich wieder bei dem Verlag Neue Kritik, dessen Reihe apropos über kunstschaffende Frauen mit immer wieder fasziniert, darunter Bücher über Vicky Baum, Marlene Dietrich aber auch Katherine Mansfield. Die wunderbaren Karten mit Dichterzitaten sammle ich schon seit Jahren. http://www.neuekritik.de/wiener-melange-i.html Ermutigt durch meinen Roman überlege ich ein biografisches Buch über Anja Lundholm zu schreiben, mit der ich viele Interviews geführt habe und auch Foto-Material besitze. 

Sehr schön war die Begegnung mit den Frankfurter Bücherfrauen, von denen ich wohl einige noch aus dem Studium kenne. Diesmal ist Anita Djafari ausgezeichnet worden, bei der ich damals Seminare besuchte. http://www.buchmarkt.de/meldungen/anita-djafari-als-buecherfrau-des-jahres-geehrt/Ganz bestimmt werde ich zu einer der nächsten Veranstaltungen gehen. Gleich neben ihrem Stand war der des Verlags Aviva, der speziell Bücher von vergessenen Schriftstellerinnen aus der Zeit der 20er und 30er neu auflegt. http://www.aviva-verlag.de/"Junge Bürokraft übernimmt auch andere Arbeit" von Lili Grün habe ich mir mitgenommen. Beim spannenden Plattenlabel Trikont nahm ich mir frühe Rock'n Roll Aufnahmen mit. In früheren Jahren hatte ich da auch schon über Musik in Berlin und Wien interessante schön aufgemachte Alben gefunden. http://trikont.de/

Schließlich ein bisschen "Widerfahrnis" von Bodo Kirchhoff bei der Zeit in Halle 3.1 - und ein paar Worte von ihm über die Anfänge des Schreibens: "Man schreibt ja aus einem eigenen Ungenügen heraus..." Das ist sehr wahr finde ich. Eine Frage, die mir mein Verleger Sewastos Sampsounis beim Gespräch gestellt hat, war die nach dem persönlichen Glück. Ich antwortete, dass man immer mal wieder im Leben überprüfen müsse, ob man glücklich sei, ob man das tue, was man eigentlich tun wolle im Leben - und dann müsse man Mut haben und ausprobieren. So etwas Ähnliches hat auch eine Autorenkollegin gesagt, die ein Buch über ihre Reise nach Rußland geschrieben hat: Ellen Lugert mit "Russisch Rückwärts". Sie zitierte ein russisches Sprichwort, das soviel bedeutet wie: Es wird schon! Das gefällt mir wesentlich besser als das etwas banalisierende Alles wird gut!, das im Deutschen so oft hergenommen wird. Das erstere drückt auch die Zeit aus, die alle guten Dinge brauchen - und die Zuversicht.

Zu guter letzt noch eine kleine Begegnung mit einem Mann aus Wien, der am Stand des Größenwahn Verlags ganz gerührt meiner Lesung folgte - und mein Buch kaufte. Kommen's nach Wien, sagte er. Ich komme auf jeden Fall nächste Woche, antwortete ich. Meine Frau ist Konzertgeigerin sagte er wieder: Moch' mer was! Nun war ich gerührt. Das wird wieder "Eine ungeplante Reise nach Wien" https://issuu.com/groessenwahn_verlag/docs/001_eine_ungeplante_reise_nach_wien/1.