Montag, 24. Oktober 2016

Nachlese im kleinen Salon - Es wird schon!

Einen Tag nach der Buchmesse, bin ich krank. Die Schniefnase und das Halskratzen haben auch Vorteile: Ich muss nicht raus in dieses Sauwetter und kann die letzten aufregenden Buchmessetage revue passieren lassen - bei einem Kaffee von Meinl mit Schuss.



Eins vorweg: Noch nie sind diese Messetage so schnell vergangen wie mit dem eigenen Roman in der Hand. Ich konnte nur hin und herflitzen zwischen den Hallen 3.1 und 4.1 - und dort habe ich auch einige Gänge ausgelassen. Das Laufen an den Verlagen vorbei war allerdings diesmal besonders schön, denn ich musste nicht mit einem Manuskript beklommen nachfragen, sondern konnte etwas zeigen. Meinen Roman, denn ich beim sehr engagierten und umsorgenden Frankfurter Größenwahn Verlag http://groessenwahn-verlag.de/veröffentlicht habe. Daraus ergaben sich viele schöne Gespräche und Erlebnisse. Am Stand des Wiener Mandelbaum Verlags blätterte ich in dem besonderen Reiseführer Jüdisches Wien, wobei der Verlagsleiter natürlich mein Buchcover sofort erkannte: Der Mandelbaum Verlag http://www.mandelbaum.de/home sitzt in dem weißen Haus mit dem Runderker. Als ich in dem Führer über den Judenplatz und das Mahnmal für die Opfer der Shoah las - Fotos sah, fiel mir wieder ein, dass ich im Jahr 2000 erstmals in Wien gewesen war, damals auf einer Tag der Gesellschaft für Exilforschung, bei der es sehr viel um die Musik der 20er und 30er Jahre ging. Damals habe ich mich genauer mit dem Schicksal Schriftstellers und Liberettisten Löhner-Beda befasst, der die Texte zu vielen Lehár-Operetten und Schlagern schrieb, die wir heute noch witzig, frech und modern finden. 

Das waren die ersten unscheinbaren Keime für meinen Roman. Als ich wieder zuhause war, wusste ich jedenfalls, dass ich mit diesem Thema etwas machen wollte. Als ich dann 2003 eine erste Erzählung geschrieben hatte, meldete ich mich zum Poetikseminar bei Bodo Kirchhoff an - und lernte besonders detailliertes Erzählen, sich zur Decke strecken mit dem Schreiben, eine Figur tatsächlich ausloten. 

Meine erste Erzählung schrieb ich immer wieder um, wusste noch nicht recht, was daraus werden sollte. Zwischendurch schrieb ich andere Kurzgeschichten, aber auch eine Erzählung, die sich um Musik und eine Großmutter drehte. Irgendwann zwischen 2004 und 2005 sah ich einen Bericht über das Hotel Orient in Wien. Mich faszinierte, dass die Wiener für eine vergängliche Sache wie die verbotene Liebe ein Hotel so sorgfältig und geschmackvoll einrichteten. Es inspirierte mich - ich schrieb weiter, die eher komplizierte Liebesgeschichte entstand. 

Die Geschichte der Großmutter hing noch etwas unverbunden zwischen anderen. Ich vertiefte mich also in die Musik, sah mir eine Ausstellung von Robert Dachs (einem Schallplattensammler) an und las Bücher über Fritz Löhner-Beda, die damals gerade erschienen. Auch hörte ich viele alte Aufnahmen, sammelte frisch digitalisiertes von Paul Abraham, gesungen von Martha Eggert oder Franziska Gaal, deren Stimmen viel zu früh verstummt waren. 

In den letzten Jahren hatte ich die Buchmesse auch besucht, um interessante und mutige kleine Verlage ausfindig zu machen. Der Frankfurter Größenwahn Verlag war auch darunter. Welcher konnte schließlich besser zu diesem Buch passen als einer, der selbst aus einem Kaffeehaus, einem Ort der Diskussion und Demokratie, entstanden war? 

Das waren so Gedanken in meinem Kopf als ich durch die überladenen Gänge lief. Station machte ich wieder bei dem Verlag Neue Kritik, dessen Reihe apropos über kunstschaffende Frauen mit immer wieder fasziniert, darunter Bücher über Vicky Baum, Marlene Dietrich aber auch Katherine Mansfield. Die wunderbaren Karten mit Dichterzitaten sammle ich schon seit Jahren. http://www.neuekritik.de/wiener-melange-i.html Ermutigt durch meinen Roman überlege ich ein biografisches Buch über Anja Lundholm zu schreiben, mit der ich viele Interviews geführt habe und auch Foto-Material besitze. 

Sehr schön war die Begegnung mit den Frankfurter Bücherfrauen, von denen ich wohl einige noch aus dem Studium kenne. Diesmal ist Anita Djafari ausgezeichnet worden, bei der ich damals Seminare besuchte. http://www.buchmarkt.de/meldungen/anita-djafari-als-buecherfrau-des-jahres-geehrt/Ganz bestimmt werde ich zu einer der nächsten Veranstaltungen gehen. Gleich neben ihrem Stand war der des Verlags Aviva, der speziell Bücher von vergessenen Schriftstellerinnen aus der Zeit der 20er und 30er neu auflegt. http://www.aviva-verlag.de/"Junge Bürokraft übernimmt auch andere Arbeit" von Lili Grün habe ich mir mitgenommen. Beim spannenden Plattenlabel Trikont nahm ich mir frühe Rock'n Roll Aufnahmen mit. In früheren Jahren hatte ich da auch schon über Musik in Berlin und Wien interessante schön aufgemachte Alben gefunden. http://trikont.de/

Schließlich ein bisschen "Widerfahrnis" von Bodo Kirchhoff bei der Zeit in Halle 3.1 - und ein paar Worte von ihm über die Anfänge des Schreibens: "Man schreibt ja aus einem eigenen Ungenügen heraus..." Das ist sehr wahr finde ich. Eine Frage, die mir mein Verleger Sewastos Sampsounis beim Gespräch gestellt hat, war die nach dem persönlichen Glück. Ich antwortete, dass man immer mal wieder im Leben überprüfen müsse, ob man glücklich sei, ob man das tue, was man eigentlich tun wolle im Leben - und dann müsse man Mut haben und ausprobieren. So etwas Ähnliches hat auch eine Autorenkollegin gesagt, die ein Buch über ihre Reise nach Rußland geschrieben hat: Ellen Lugert mit "Russisch Rückwärts". Sie zitierte ein russisches Sprichwort, das soviel bedeutet wie: Es wird schon! Das gefällt mir wesentlich besser als das etwas banalisierende Alles wird gut!, das im Deutschen so oft hergenommen wird. Das erstere drückt auch die Zeit aus, die alle guten Dinge brauchen - und die Zuversicht.

Zu guter letzt noch eine kleine Begegnung mit einem Mann aus Wien, der am Stand des Größenwahn Verlags ganz gerührt meiner Lesung folgte - und mein Buch kaufte. Kommen's nach Wien, sagte er. Ich komme auf jeden Fall nächste Woche, antwortete ich. Meine Frau ist Konzertgeigerin sagte er wieder: Moch' mer was! Nun war ich gerührt. Das wird wieder "Eine ungeplante Reise nach Wien" https://issuu.com/groessenwahn_verlag/docs/001_eine_ungeplante_reise_nach_wien/1.



Donnerstag, 25. August 2016

Einmal Kaiser(in) von China sein

Gestern führte mich ein Termin ins Offenbacher Nordend und von dort ins Kaiserleigebiet, direkt auf die Terrasse des neuen Hotels New Century, das unter chinesischer Führung steht. Man muss ja sagen, dass im Kaiserleigebiet viele Gebäude so bisschen achtziger wirken - und nicht wenige stehen leer. 

Das New Century http://www.newcenturyhotelseurope.com/de/restaurants-und-bar-in-offenbach.html aber hat sich wirklich schick gemacht. Wer noch das alte Scandic Crown oder Golden Tulip kennt, mag es kaum glauben, aber das Vier-Sterne-Superior-Haus wirkt elegant und modern. Neben den Übernachtungsmöglichkeiten bietet es zwei sehr gute Restaurants für ganz unterschiedliche Geschmäcker: Das Eastside ist ein modernes Gasthaus mit einer Cross-Over-Küche, die ihrem Namen alle Ehre macht und überall in Europa mal vorbeischaut. Ich habe Fish & Chips getestet, weil man das hier fast nirgends bekommt - und ich muss sagen, es war sehr lecker - vielleicht etwas feiner als man es hier und da in England bekommt, aber auf jeden Fall zu empfehlen. Der Cod kam in einer knusprigen Hülle, es gab grünes Erbsenmus (Mushi Peas) und French Fries im entzückenden Metallkörbchen. Auch die Salatvariationen, die meine Begleiter bestellten, sahen superknackig aus. 

Das Essen haben wir uns auf der luftigen Terrasse direkt über dem Mainufer schmecken lassen. Das ist ein schöner Platz, auch, wenn es heiß ist. Nach dem Espresso machten wir noch eine kleine Runde durch das Innere. Das Eastside begeistern durch die sehr großen Fenster auf den Main und den großzügigen Raum im Halbrund. Ein Brunch muss hier sehr angenehm sein.  


 


Im 2. Stock befindet sich das chinesische Schmuckstück des Hauses, das "Four Seasons Chamber". 

Also, wer sich immer schon mal in einen chinesischen Palast gewünscht hat, der bekommt hier eine Ahnung davon, denn das Interieur ist wirklich prächtig. Und das fängt schon im Flur an, der mit türkis-goldener chinesischer Tapete bespannt ist. Der öffentliche Bereich des Restaurants ist in kleine separee-artige Abteilungen gegliedert, mit blauen chinesischen Teppichen ausgelegt und gelbseiden bespannter Bestuhlung ausgestattet. Liebevoll ausgesuchte und sehr wertige Details wie Mingvasen, Lacktische, Orchideen etc. runden das kostbare Ambiente ab. 


Außerdem gibt es für Gruppen noch  abgeschlossene Private-Dining-Räume, an denen man zurückgezogen am runden Tisch die Speisen miteinander teilen kann, wie in China üblich. Auch die Speisekarte bietet authentische Gerichte weit ab von süßsauren Alpträumen. Es gibt Zubereitungen aus verschiedenen Provinzen, die einem alle das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen, außerdem kann man sehr stilvoll hochwertigen chinesischen Grüntee trinken. 

Ich werde das Four Seasons Chamber auf jeden Fall einmal ausprobieren, weil es einfach wunderschön ist, dort zu sitzen - man wird in eine andere Welt gebäumt.


Freitag, 15. Juli 2016

Straßen im Wandel - Ein Streifzug durchs Frankfurter Bahnhofsviertel

Das Frankfurter Bahnhofsviertel hat mich seit der Kindheit magisch angezogen. Damals redete man nicht offen davon, was sich dort abspielte. Mein Vater arbeitete bei Radio Diehl, Kaiserstraße 5, das ist am Roßmarkt, aber das wussten viele nicht so genau. Mein Opa auch nicht - und so lief er mit mir vom Hauptbahnhof geradewegs durch's Bahnhofsviertel und traute sich nicht, mich anzuschauen. Er zog mich an der Hand immer weiter, in der Hoffnung, dass ich nicht allzu viel von den bunten Bildern und eindeutigen Angeboten mitbekommen würde. Ich war fünf. 

Später mit sechzehn siebzehn machte ich eine Ausbildung am Willy-Brandt-Platz und lief wieder die Kaiserstraße runter. Einfach, weil dort meine Lieblingshäuser standen und eine super Eisdiele (Fontanella). 

 


In den Neunzigern wohnte meine Freundin Doris im letzten Drittel der Münchener Straße und ich liebte das bunte Angebot an Obst und die leichte Zwielichtigkeit in den Toreinfahrten. Doris' Sohn jedenfalls wurde von allen Nachbarn geliebt und hin- und heugeschaukelt. 

Anfang der zweitausender Jahre sang ich mit dem Chor ein paar mal im Festsaal der Loge zur Einigkeit in der Kaiserstraße - und riskierte einen Blick in hochherrschaftliche Hinterhöfe aus vergangenen Glanzepochen. 

Ganz viel später hatte ich einen Agenturjob im Westend (2010) und lief durch Taunus- und Moselstraße. Da fing es an, dass das Bahnhofsviertel ein Quartier wurde, in dem man ausging - also ich meine normale Leute. Ich entdeckte das Plank und futterte mich durch die Münchener, Elbe- und Weserstraße. Beim kleinen Vietnamesen Lam Frères und dem Plank bin ich bis heute hängengeblieben, außerdem bei treue Kundin bei verschiedenen Asia-Läden, der internationalen Buchhandlung, dem Schreibwarengeschäft Fleischhauer und Schuh-Krolla. 

In unregelmäßigen Abständen statte ich dem Viertel in der ewigen Mauser einen kleinen Besuch ab, so auch am Mittwoch, als ich am Hauptbahnhof meine Nichte in den richtigen Zug setzte. Während des Wartens hatte ich mir das neue "Frankfurt geht aus" gekauft und bekam Hunger. Ich schlenderte die Kaiserstraße bahnhofabwärts entlang, betrat zunächst die Internationale Buchhandlung, wo ich nie vorbeigehen kann und entdeckte ein Buch mit dem schönen Titel: Ein Garten über dem Meer. Ist es schön?, fragte ich die freundliche und sehr kompetente Buchhändlerin. Wunderschön, kam prompt die Antwort und ich nahm es mit. 



Genau nebenan befindet sich ein neuer Inder, der auch im Restaurantführer erwähnt wurde. http://eatdoori.com/k55/#eat-and-drink Die buntmoderne Aufmachung und das Angebot der Thali-Gerichte zog mich hinein. Außerdem hatte es plötzlich stark zu regnen begonnen. 

Ich nahm vorne an den niedrigen Marmortischchen Platz, bestellte mir ein Thali mit Butter Chicken und besah mir die Einrichtung. Ein bisschen Industrie-Style, ein bisschen Orient-Express, das Personal sehr freundlich und das Essen von exquisitem Aussehen und Duft. Ich musste an einen Indien-Aufenthalt vor rund 10 Jahren denken, wo wir auf der Durchreise nach Madurai von unserem Fahrer in eine sehr authentische Garküche geführt wurden. Die Teller waren Bananenblätter und ein Walla lief mit einem Henkelmann rum, gab jedem eine Schippe Reis und verteilte mit einem Schöpflöffel großzügig Currys. In Frankfurt geht das natürlich nicht. Es wurde ein ordentliches Silbertablett mit silbernen Schüsselchen darauf gebracht. Ordentlich waren auch Butterhuhn, Kichererbsen, Gemüsecurry, Raita und Kokosnussreis um ein Häufchen Basmatireis gruppiert. Aber doch sehr anders als bei den üblichen Indern - und sehr lecker.  Auch die handgemachte Mangolimonade und den Espresso kann ich empfehlen. 





 
Als ich fertig war, war es der Regen auch, und ich wanderte die Kaiserstraße weiter entlang, stellte fest, dass Eis-Fontanella eine neue Bleibe auf der anderen Straßenseite gefunden hatte und wagte einen Blick in einen schönen Hofeingang und ins noch leere Orange Peel. Ein cooles Ensemble zwar die ganze Kaiser, aber gleichzeitig sah ich, wie sich hier alles verändert: Ein Kettenrestaurant am anderen, eins schicker als das andere und trendiger und schnelllebiger. Nächstes Jahr schon kann das alles wieder anders aussehen und das Rohe, Baufällige, leicht Schmuddelige, aber auch Authentische und Spannende wird verschwunden sein. 


Ich lief zurück, holte Katharina vom Bahnhof ab. Wir nahmen diesmal die Münchener Straße hinunter, weil ich ihr dieses bunte Leben, diesen Kontrast von schick und schäbig, so dicht nebeneinander zeigen wollte. Wir landeten im Schreibwarengeschäft Fleischhauer und probierten Füller von Kaweko.http://www.kaweco-pen.com Sie schreiben super weich und wir mussten jede einen mitnehmen. Sie sagte: Für Schreiberinnen ist das wie Lingerie. Ich nickte beipflichtend. Ausgerüstet mit den neuen Füllfederhaltern wanderten wir ins Plank, wo wir uns in den neuen Raum, um den die Cafébar erweitert wurde, zurückzogen.  





Hier lässt es sich wunderbar plaudern, schreiben und auf die Münchener Straße hinausschauen - solange sie noch bunt ist.




Mittwoch, 1. Juni 2016

Frankfurt swingt noch - im Café Kante und im Naxoskino

Gestern führte mich ein Dokumentarfilm mit anschließender Podiumsdiskussion im Naxos-Kino an den Merianplatz und in die Kantstraße. Kurzentschlossen lenkte ich meine Schritte ins Café Kante. Hier kleben noch Zettel für Hatha Yoga im Fenster, wie früher in den 80ern, als es in den Yogastudios noch nach Räucherstäbchen duftete. Drinnen ist es angenehm unaufgeregt. Ich beziehe einen kleinen Tisch an der Wand, in Sichtweite der Espressomaschine und schaue mich um. Hier sieht man altmodische Dinge: Eine Frau mit weißem Kragen. Sie hat ein Buch gekauft und ritzt mit dem Fingernagel ungeduldig die Versiegelung auf. Es ist der neue Brunetti-Krimi aus dem Diogenes-Verlag. Wie gerne würde ich ihn für eine Stunde ausleihen, um noch ein wenig in meiner Venedig-Fatamorgana der letzten Reise zu schwelgen. 
Am Tisch neben der Tür sitzt ein in die Jahre gekommenes Liebespärchen, dennoch ein heimliches, wie es scheint. Sie halten verstohlen Händchen. Den Liebhaber kenne ich aus der Nachbarstadt, in der ich wohne. Hier fühlt er sich unbeobachtet. Ich schreibe diskret mit gebeugtem Kopf. Da kommt mein Erdbeerkuchen - ein ordentliches Stück. Der Käsekuchen wurde mir leider vor der Nase weggeschnappt. Aber sei's drum. Der Doppio aus der Rösterei Wissmüller ist lecker und nicht zu stark, die Erdbeeren sind frisch. Draußen schwappt das Leben Richtung Bergerstraße. Hier scheint es still zu stehen - jedenfalls für eine kleine Weile. Das Publikum ist mindestens so alt wie ich.

Wir sind die Letzten, die sowas mögen, scheint es. Draußen sehe ich mit Wohlwollen ins Fenster, in dem sich antike Waagen und Blechdosen ein Stelldichein geben. http://www.cafe-kante.de



Ich muss weiter zur Naxoshalle. Auch dort weht so ein wenig Vergänglichkeit durch den Saal, die eines Frankfurts, das es kaum noch zu geben scheint. 

Dazu passt auch der Film über den Jazztrompeter Carlo Bohländer Carlo, keep swingin', für den ich die Pressearbeit gemacht habe, und den ich mir zum 3. Mal ansehe. Die Protagonisten sind allesamt Jazzgrößen aus den 50ern, 60ern - und das Nachkriegsfrankfurt, mit seinen "Bausünden", die heute Charakter zeigen. Dort, wo sie noch vorhanden sind. Der Film ist sehr bewegend und jedenfalls sehenswert, widmet er sich doch Menschen und einem Stück Zeitgeschichte, das in Vergessenheit zu geraten droht. Der Film war ausverkauft, die Diskussion gut besucht und Daniella Baumeister hat ganz wunderbar moderiert.  
http://carlokeepswingin.okfilm.de/

Doch der Jazz lebt noch, in der Stadt oder wieder. Das betont auch der Betreiber der Musikkneipe Mampf, wo in diesen Tagen junge Leute swingen. Man sollte mal hingehen.http://www.mampf-jazz.de/mampf.html
     

Donnerstag, 31. März 2016

Ein trüber Tag in der Töngesgasse mit Abschluss im Café Mozart

Der Himmel hängt wolkenschwer wie das Gemüt - so denke ich in diesen letzten Märztagen. Ein Termin verschlug mich auf die andere Seite des Flusses und zwar in die Neuen Kräme. Wie schön wieder einmal hier zu sein, wo ich als Zwanzigjährige meine Mittagspausen verbrachte, dachte ich mir. Ich ließ mich ein wenig treiben und ging über den Liebfrauenberg fast automatisch auf die Kleinmarkthalle zu. Die kam mir bei leichtem Nieselregen gerade recht. Drinnen kann man das Draußen getrost für zwei Stunden vergessen und sich hineinträumen in bunte Märkte aller Länder: Die Obst- und Gemüsestände am Eingang duften nach Rom oder gar nach Saigon, wenn man gerade an einer Stinkfrucht vorbeigeht. In der Mitte, wo die Früchte dann in getrockneter Form neben Rosenblättern sitzen, kann man sich eher in den großen Bazar von Istanbul denken. Allerlei Salsicce und Pecorino-Varianten versetzen nach Neapel. Ich erstehe eine formschöne Artischocke und einen Beutel getrocknete Verbenenblätter. Noch weiter hinten steht wie immer eine kleine Schlange nach Fleischwurst an, obwohl es Montag ist. Ich lasse mich locken und folge den Stufen nach oben. Hier war ich schon sehr lange nicht mehr, jedenfalls kenne ich die kleinen Marktschenken, in denen man Austern, Fisch oder Focaccie bekommt, bisher nur vom Hörensagen. Für Austern möchte ich lieber nochmal mit einem Begleiter herkommen, das ist lustiger und auch romantischer. Aber auf eine Focaccia mit Parmaschinken und Pecorino lasse ich mich ein, danach ein herrlicher Espresso.  




 

Gestärkt gehe ich wieder hinaus, der Regen hat nachgelassen. Also steht einem Schaufensterbummel in der Töngesgasse nichts mehr im Wege. Ich schaue beim Oxfam-Buchladen rein https://shops.oxfam.de/shops/frankfurt-buch, lasse ein paar Bücher da und bewundere ein paar Häuser weiter die wunderschönen Bürsten und altmodischen Küchenhandtücher im Bürstenhaus http://www.buerstenhaus.de an. Wieder nehme ich mir vor, meine Messer das nächste Mal mitzunehmen und bei Dotiert schärfen zu lassen. Bei Samen-Andreas http://www.samen-andreas.de/blog/index.php kaufe ich zwei Lilienknollen und Rosenhandschuhe. Auf der anderen Straßenseite gehe ich, wie jedes Mal in den kleinen Japanischen Laden und kann mich nicht sattsehen an Schälchen und Tässchen - allesamt so schön, dass ich mich nie entscheiden kann und ohne ein Stück hinausgehe. Besonders aufgefallen sind mir diesmal die schönen Stoffe mit diesen typischen, regelmäßigen japanischen Mustern in dunkelblau oder dunkelrot, kleine Bogen oder Sterne, die sich aneinanderreihen. Ich wandere noch weiter geradeaus dorthin, wo die Töngesgasse schon Bleidenstraße heißt, hier entdecke ich ein neues Geschäft mit geflochtenen Taschen aus Marrakech und kleinen Kommoden aus Indien. Auf dem Weg zurück lasse ich mich vom Kaffeeduft in die Rösterei Wacker locken, kaufe einen äthiopischen Arabica und schlendere hinüber zu 2001, ein bisschen bei den Klassik-CDs stöbern. Ja, ich kaufe immer noch CDs - manchmal. Nebenan beim Kartenfachgeschäft erwerbe ich ein Merianheft über Venedig. 

Damit begebe ich mich dann zurück ins Mozart. Es nieselt auch schon wieder. Beim Vorübergehen an der Tortentheke entdecke ich die köstliche Johannisbeer-Baiser-Torte. Die muss es jetzt sein. So wie immer, nur das ist schon wieder so ungefähr 5 Jahre her. Gegenüber ist eine Baustelle, ein ganz neues Haus wird da hochgezogen. Früher wohnte dort meine Freundin Doris, das ist, oh je, viel viel länger her. 

Es gibt viele Orte, an denen ich gerne sein möchte, in diesem Nicht-Frühling, aber auch viele, wo ich nicht sein möchte, in diesen Zeiten, denke ich. Die Töngesgasse ist gar kein so schlechter Ort.
 


Montag, 18. Januar 2016

Winterlicher Mittag mit #Martin Suter im Café #Mein Lieblingsplatz in Offenbach

Der Himmel so blau, dass die Mittagspause heute für einen kleinen Spaziergang durch die winterliche Stadt genutzt werden muss. Ich laufe durch das Offenbacher Westend und dann führt mein Rückweg am Café "Mein Lieblingsplatz" vorbei, wo ich mich mit einem doppelten Espresso von Kaffee Wacker aufmuntere. 

 

Da kommt ein Mann herein, der zielstrebig zur wunderbaren Kuchentheke eilt und sagte, er habe Marmorkuchen und Schokotarte zurücklegen lassen. Ich wusste gar nicht, dass sowas möglich ist, obwohl in diesem kleinen Kaffeehaus durchaus sinnvoll. Er und Betreiberin Caroline Bafkham, mit dem gesegneten Händchen für feines Backwerk, unterhalten sich angeregt über ein Buch. Aus dem Gespräch errate ich, dass es sich um "Der Koch" von Martin Suter handelt. Es spielt wohl zum Teil in Sri Lanka und sehr einfühlsam wird darin das Leben des Kochs geschildert. Man kann sich so gut hineinversetzen in diese Welt, sagt Caroline und dann: Ich muss gerade mal nach dem Kuchen kucken. Sie verschwindet nach hinten und langsam erfüllt köstlicher Duft nach Frischgebackenem den so liebevoll eingerichteten Raum. Der "alte Offenbacher", wie sich der Kuchenesser selbst nennt, erzählt von anderen Suter-Romanen und lobt des Autors Vielseitigkeit. Auch die Detektiv-Romane, in denen ein gewisser Kommissar Allmen im Mittelpunkt steht, seien sehr gut geschrieben. Dieser Kommissar lebt ständig über seine Verhältnisse und hat sogar einen Chauffeur, erzählt der Kuchenesser. Caroline erwidert: Wir hatten auch mal einen Chauffeur. Das war in Moskau noch vor der Wende. Ich sage: Oh, so könnte ich auch mal leben, einen Monat lang vielleicht. Dann wäre ich pleite. Zu Hause im Regal habe ich auch einen Roman von Suter, seinen ersten wohl: Small World. Die Unterhaltung hat mir Lust gemacht, diesen zu lesen. Aber das mache ich erst, wenn ich meinen eigenen Roman nochmals durchgesehen habe. Und auch erst dann gönne ich mir so ein himmlisches Baiser-Törtchen wie auf dem Bild. 

Mittwoch, 6. Januar 2016

Wie das Jahr anfängt bei Don Pedro's in Offenbach - oder wie man sich einschreibt

Am Morgen des vierten Januar 2016 brennt bei Angelo, in der Salumeria Ecke Karlstraße schon Licht. Erste Panini werden mit Schinken belegt. Zwei Sizilianer schimpfen über irgendwas. Sie scheinen sind genauso schlecht gelaunt wie ich. Vom Himmel herunter geht Schnee in Regen über. Die höchsten Stockwerke des City-Towers sind geheimnisvoll in Nebel gehüllt. Am Markthäuschen tritt der Wirt vor seine Tür und raucht. Die Cafébar auf der Bieberer hat noch Kaffeepause. Bei Koffer-Roth, neue Kollektion. Ich sehe aus dem Augenwinkel ein elegantes, schwarzes Rucksäckchen. Bei Kaufhof sind die Scheiben rot verklebt. Hier gibt's alles für die Hälfte. Am Aliceplatz wird der Weihnachtsmarkt abgebaut. Von der Mandelbude schraubt einer die großen Plastikkerzen ab und lädt sie auf einen Kleinlaster. An der leerstehenden City-Passage räumt eine Künstlerin ihre Werke ins Auto. Der Kunstsupermarkt hat ausverkauft. Gegenüber eröffnet ein türkischer Bäcker Yildrim.  

Wenigstens bei Pedro gibt's Kaffee und Wärme http://www.donpedros.de. Ich setze mich auf meinen lila Lieblingssessel. An der Theke bereitet die schlanke Schwarzhaarige Espresso zu. Sie trägt einen roten Schlips zur weißen Bluse und ist freundlich, wie im letzten Jahr. Draußen ist es grau und die Leute gehen die Frankfurter hoch und runter, oft mit dem Smartphone am Ohr, oft mit den immergleichen Zielen. Die Schwarzhaarige schlägt den Siebträger auf. Es zischt. Ich hole meinen Espresso und schreibe mich ein für's neue Jahr.  

Die Zeitung bleibt ungelesen am Ständer hängen - zum Glück. Manche Neuigkeiten sind ganz und gar nicht nicht zu begrüßen. Man würde es vorziehen, lieber nie von ihnen erfahren.