Dienstag, 27. Mai 2014

Familie Montez, Frankfurt: Kunstkaffeehaus unter der Brücke

An einem schönen Mai-Sonntag wanderte ich am Main entlang von Offenbach nach Frankfurt. Durch die neue Brücke und die wachsende EZB sind am anderen Ufer ein paar coole Raststationen in nächster Nähe entstanden. Im Nachklang der "Nacht der Museen" ist so eine Raststation nun unter der Honsellbrücke zu finden, wo Mirek Macke die rohen Hallen nach zweijährigem Exil bezogen hat. Die schöne Bogenkonstruktion und der Rohbeton bieten sich geradezu für eine coole Nutzung der Räume für nicht so brave Kunstwerke an. Links von den Panthern aus schwarzem Basalt geht's hinein in die Unterwelt der Honsellbrücke. 

Schon im Kaffeebereich kann man sehen, was man mit wenig Geld alles Schönes machen kann. Viele Cafés bemühen sich mit teuren Neobarock- und Landhausmöbeln um ein abwechslungsreiches wie stylisches Ambiente. Mirek Macke erreicht mit geschenkten Stühlen und Tischen aller Epochen nahezu den gleichen Effekt - nur, dass es unter der Brücke irgendwie cooler ist. Wohltuend ist auch das Preisgefüge, dass sich künstlerfreundlich von den anderen Ufer-Lokalitäten unterscheidet. Es gibt Kaffee oder Saft und selbstgebackenen Kuchen von helfenden Händen zu humanen Preisen an der Theke abzuholen und keiner nervt zwischendurch mit der eindringlichen Frage ob's noch ebbes sein derf. 

Sein W-LAN muss man wahrscheinlich selbst mitbringen, aber dennoch ist das Kaffeehaus unter der Brücke mit der angeschlossenen Kunsthalle nebenan ein sehr inspirierender Ort, den man im Sommer nutzen sollte, denn wie es dort im Winter auszuhalten ist, weiß Mirek noch nicht. "Das wird man sehen. Alles ergibt sich irgendwie", sagt er und man vertraut seinen blauen Augen. So kamen auch die Klohschüsseln und so kommt wahrscheinlich demnächst ein Klavier irgendwoher, denn klassische Konzerte sind neben DJ-Abenden auch im Programm. https://www.facebook.com/montezffm?fref=ts Das Kunstkaffeehaus unter der Brücke ist jedenfalls ein Ort mit einer kreativen Seele, wie er Frankfurt bisher fehlte. Solche Locations in alten Industrievierteln gab es bisher in Berlin oder Leipzig. Jetzt muss ich deswegen nicht mehr unbedingt verreisen oder höchstens mit dem Fahrrad.


  

Montag, 12. Mai 2014

Berlin - Berlinische Galerie und Villa Köppe: Ältere und neuere figurative Malerei

Es lockten mich letzte Woche neben der Pressearbeit für einen Film nun zwei Ausstellungen nach Berlin: Eva Moll, Uta Brauser und Jim Avignon in der Villa Köppe in Berlin-Grunewald und Dorothy Iannone in der Berlinischen Galerie. Das Wetter war auch eher für Galerie- und Meseumsbesuche angetan. So fuhr ich am Donnerstag, um rechtzeitig zur Vernissage von Eva Moll, die kurz zuvor ihr Offenbacher Atelier in der Mato-Fabrik verlassen musste und nun in der Hauptstadt ihr neues Domizil aufgeschlagen hat. In Berlin war ich schon oft, in Berlin-Grunewald noch nie. Ein sehr hübscher Stadtteil mit sehr hübschen Häusern von hübsch betuchten Anwohnern. Aber auf jeden Fall einen Ausflug wert, auch am Tag. Allein des kleinen Bahnhofs wegen aus dem vorletzten Jahrhundert. Die Villa Köppe schließlich ist ein sehr schöner Ausstellungsort: Hohe, weiße Wände mit Stuck und ein prachtvolles Treppenhaus mit Spiegeln und Leuchter eignen sich vielleicht sogar besonders für junge, mutige Kunst. http://www.villa-koeppe.de Die Bilder hängen noch bis zum 6. Juni - das ganze Ensemble ist unbedingt sehenswert.

Nach einer sehr erhellenden Einführung war die Ausstellung eröffnet und bot abwechslungsreiche Figurinen der Gegenwart: Eva Molls Eve-Bildnisse inmitten der bunten Großstadt New York oder ihr  hinduistisch anmutendes zeitgemäß verpixeltes Eve-Antlitz, neben den eher rauen und kämpferischen Großstadtheldinnen der New Yorker Künstlerin Uta Brauser und den Comic-artigen Allegorien auf das digitale Zeitalter von Jim Avignon. Unterschiedliche Aspekte unserer Gegenwart wie veränderte Rollenbilder, mächtige, aber isolierte Frauen, flüchtige Kriegsheldinnen, die virtuellen Welten entstiegen scheinen oder die naiv-grotesken Figuren des Avignon'schen Mikrokosmos vermischten sich zu einem inspirierenden Ensemble unserer Zeit. Im anschließenden Konzert Avignons kamen auch aktuelle Themen wie der tägliche Überlebenskampf freischaffender Künstler zur Sprache. Die Performance von Eva Moll, in der sie eine gipsweiße Venus mit Lippenstiftfarbe rotküsst, spiegelte für mich die Intimität, die in jedem Kunstwerk steckt und die Verwundbarkeit eines jeden Künstlers, wenn er mit seinem Werk in die Öffentlichkeit geht. Allen drei Künstlern werde ich sicher noch häufiger hinterher reisen.




 






Dann am Samstag Dorothy Iannone in der Berlinischen Galerie. Ich war auf die Künstlerin während meines Studiums durch meine Beschäftigung mit Henry Miller gestoßen und wurde bei einem Besuch eines kunsthistorischen Seminars von Ulrike Kuschel in Offenbach wieder auf sie aufmerksam. Der Magie ihrer bunten von Ornamenten und Figuren bevölkerten Bilder, die ähnlich opulent daherkommen wie die hinduistischen bunt bemalten Tempel im Süden Indiens kann man sich kaum entziehen. Sie wirken wie kunstvoll gewebte Teppiche voller Geschichten, auf denen man immer wieder neue Details entdecken kann und irgendwo oben rechts, gut sichtbar, erscheint das gemalte Ego der Malerin selbst, in einem großen geschwungenen Korbstuhl, wie er typisch war für die siebziger Jahre. 


Oft sieht man auch Liebesszenen, die Dorothy mit ihrem Wahl-Weggefährten Dieter Roth zeigen. Dabei sind die Geschlechtsorgane prominent und immer nahezu gleichartig dargestellt. Und trotz der Betonung von Eros und Sexualität wirken sie durch die Art der Darstellung niemals obszön, sondern eher spielerisch, humorvoll und vergnügt. Am meisten hat mich ihre Iceland-Saga beeindruckt. Sie erzählt hier, wie in einer Art Bildergeschichte eine Episode aus ihrem Leben, nämlich, wie sie, noch verheiratet, mit mit ihrem Mann nach Reykjavik reist, wo sie den Künstler Dieter Roth kennenlernt und sich ihm augenblicklich zuwendet, um dann sieben Jahre mit ihm zu leben. Hier werden die dargestellten Szenen in schwarzweiß mit kurzen sehr prägnanten Texten angereichert, die diese dramatische Lebensphase ungemein treffend wiedergegeben. Selten habe ich eine Liebesgeschichte gelesen, die mit wenigen Worten die ganze Dramatik solcher Begebenheiten transportiert. Ich hätte so gern den vollständigen Text für mich und frage mich, ob es eine Buch-Veröffentlichung davon gibt. 





Wie passen nun diese beiden eindrücklichen Kunsterlebnisse zusammen? Ich fand Gemeinsamkeiten besonders in den Themen und in der Darstellung zwischen Eva Moll und Dorothy Iannone. Beide Künstlerinnen verwenden ein Farbspektrum aus klaren Farben und entwickeln Comic-hafte Erzählgemälde, in denen Frauenfiguren oder die Frau eine Hauptrolle spielt. Die Retrospektive über Dorothy Iannone ist noch bis zum 2. Juni 2014 in der Berlinischen Galerie  zu sehen. Sehr inspirierend! http://www.berlinischegalerie.de